Attic Inscriptions in Delphi
Gegenstand und Ziele des Projektes
Athen war in klassischer Zeit die größte und mächtigste Polis in Griechenland, Delphi beherbergte mit dem Heiligtum des Apollon Pythios eine der bedeutendsten panhellenischen Kultstätten. Entsprechend groß war das Bedürfnis der Athener, im berühmten Orakelheiligtum sichtbar zu sein. Die wichtigsten Zeugnisse, die uns über die athenische Präsenz in Delphi und die athenisch-delphischen Beziehungen informieren, sind neben den literarischen und archäologischen Hinterlassenschaften vor allem Steininschriften in altgriechischer Sprache. Dabei handelt es sich um eine voraussetzungsreiche Quellengattung, die trotz ihrer großen historischen Relevanz so manche Forschenden abschreckt: Notwendige epigraphische Grundkenntnisse und die Aufbereitung in unzugänglichen Corpora erschweren gerade Studierenden und wenig erfahrenen Forschenden aus anderen Teildisziplinen der Altertumswissenschaften die Arbeit mit dem Material. Vernachlässigung aussagekräftiger Quellen und damit Wissensverlust können die Folge sein.
Mit dem Projekt Attic Inscriptions in Delphi (AID) verfolgen wir drei Ziele: Erstens wollen wir dem Problem der Unzugänglichkeit entgegenwirken, indem wir das im altgriechischen Original vorliegende Inschriftenmaterial für eine breitere, internationale Nutzerschaft ohne besonderes Vorwissen in die englische Sprache übersetzen, kommentieren und digital publizieren. Die Kommentare erläutern den Inhalt der Inschrift, thematisieren Auffälligkeiten von Text und Inschriftträger und kontextualisieren das Monument sowohl innerhalb der Quellengattung als auch historisch. Um eine hohe Sichtbarkeit und einen unkomplizierten Zugriff auf das Material zu ermöglichen, werden die kommentierten Übersetzungen in Kooperation mit Prof. Dr. Stephen D. Lambert (Universities of Cardiff and Edinburgh, UK) und Dr. Christopher de Lisle (Durham University, UK) auf der 2012 etablierten und seitdem zu einem zentralen Organ der attischen Epigraphik avancierten Open Access Website Attic Inscriptions Online (AIO) bereitgestellt. Die einzelnen Einträge von AID folgen dabei den gängigen Editions- und Publikationsregeln von AIO. Um die wissenschaftliche Qualität des publizierten Materials zu gewährleisten, wird jeder Eintrag vor der Veröffentlichung von einem Advisory Board einzeln überprüft. Dem Gremium gehören international renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an, darunter auch der Projektleiter Prof. Dr. Kai Trampedach vom Heidelberger Seminar für Alte Geschichte und Epigraphik.
Zweitens wollen wir neben dieser wichtigen Grundlagenarbeit auch selbst zur weiteren Erforschung des aufbereiteten Inschriftenmaterials beitragen und die athenisch-delphischen Beziehungen aus epigraphischer Perspektive historisch untersuchen. Dies ist bislang – auch aufgrund der genannten Faktoren – entweder nur mit Blick auf einzelne Inschriften oder allzu verknappt geschehen. Wir hingegen wollen das gesamte Material in einer zusammenhängenden Studie analysieren und dabei auch bislang kaum oder gar nicht beachtete Inschriften berücksichtigen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sollen in zwei längeren Aufsätzen in dem Online-Format AIO Papers veröffentlicht werden. Die Reihe unterliegt einem Peer-Review-Verfahren, ist Open Access basiert und adressiert eine internationale Leserschaft.
Drittens verfolgen wir mit dem Projekt das Ziel, begabte junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich in der Endphase des Studiums oder in der Promotionsphase befinden, an das Arbeiten an der Schnittstelle zwischen Forschung und Wissenstransfer im Bereich der Digital Humanities heranzuführen. Die Studierenden bzw. Doktoranden bearbeiten dabei eigenständig nach den oben genannten Prinzipien Sets von inhaltlich zusammengehörenden Inschriften und bereiten diese für die Veröffentlichung in ihrem Namen auf der Website AIO vor. Darüber hinaus beteiligen sie sich mit eigenen Beiträgen an der gemeinsamen Abschlusspublikation in Form der AIO Papers. Unterstützt werden die Studierenden bzw. Doktoranden dabei einerseits durch gemeinsame Workshops, in der die Arbeitsfortschritte im gesamten Team unter der Leitung von Prof. Dr. Kai Trampedach kritisch diskutiert werden, andererseits durch das Feedback des AIO Advisory Boards.
Bisherige Ergebnisse und weitere Schritte
Von insgesamt 41 relevanten Inschriften haben wir 30 repräsentative Beispiele übersetzt, kommentiert und auf der Website AIO publiziert. In den Fällen, in denen noch keine Edition des altgriechischen Originaltextes über die Datenbanken PHI oder IG-Online im Internet verfügbar war und somit auch nicht mit den publizierten Einträgen verknüpft werden konnte, haben wir diese beigefügt. Die AIO Papers folgen nach einem gründlichen Peer-Review-Verfahren voraussichtlich Ende 2024. Während wir für die Online-Einträge auf der Website AIO nur Inschriften bearbeiten, die sicher von den politischen Organen der Polis Athen oder einzelnen athenischen Bürgern in Delphi publiziert wurden, berücksichtigen wir in den AIO Papers darüber hinaus auch alle weiteren Inschriften, die für die Beurteilung der athenisch-delphischen Beziehungen von Bedeutung sind (z. B. Ehrendekrete der Delpher für athenische Bürger und Inschriften mit Bezugnahme auf Delphi aus Athen selbst).
Projektleitung und Koordination
Niklas Bettermann (Heidelberg) | Christopher de Lisle (Durham) | Nicolai Futás (Heidelberg) | Kai Trampedach (Heidelberg) | Banban Wang (Heidelberg)
Weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter:
Caroline Albert | Giacomo Aresi | Hannes Freitag | Nicolai Futás | Tobias Hirsch | Dustin Hoferichter | Claudio Huayna | Riccarda Knauß | Feng Liu | Julia Ortseifen | Jonas Osnabrügge | Sebastian Zellner