Interuniversitäres Verbund-Projekt Mediale Diskurse römischer Herrscherrepräsentation

In dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Verbund-Projekt Mediale Diskurse römischer Herrscherrepräsentation arbeiten Vertreter/innen der Disziplinen Klassische Philologie (Latinistik und Gräzistik), Alte Geschichte (mit den Schwerpunkten Epigraphik und Numismatik), Klassische Archäologie sowie Neutestamentliche Exegese zusammen. Ihr gemeinsamer Ausgangspunkt ist es, den römischen Prinzipat nicht als statisches und äußerlich festgeschriebenes Herrschaftssystem zu verstehen, sondern als sich seit Augustus dynamisch entwickelndes System der Verhandlung von Rollen und Machtverhältnissen zwischen Princeps, Senat, weiteren Eliten, Militär und Reichsbevölkerung. 

Grundlage der Beschreibung und Analyse dieses Systems sind die sich in unterschiedlichen Medien vollziehenden Diskurse der kaiserlichen Repräsentation. Diese lassen sich in Historiographie und Panegyrik, Münzprägung und Herrschertitulaturen, Bildnissen und religiösen Texten, in Stadtbildern, kulturellen und sakralen Praktiken fassen. Die jeweils medienspezifische Untersuchung bildet den Kern der Einzelprojekte, ihr medienübergreifender Vergleich macht das Gemeinschaftsvorhaben aus. Dabei stehen diejenigen Kaiser im Zentrum der paradigmatischen Studien, die – besonders aus senatorischer Perspektive – spätestens mit ihrem Tod aufgrund der ihnen vorgeworfener Normbrüche dem Verdikt der ‚Verrücktheit‘ anheimfielen. Gerade aufgrund dieser kritischen Bewertung lassen sich, so unsere These, Problemlagen und Diskurse der Herrschaftsrepräsentation und der Rollenaushandlung besonders gut greifen. Es stellt sich dabei die Frage, inwiefern der Vorwurf des Normbruchs als Folge der spezifischen medialen Präsenz dieser Kaiser und ihrer diskursiven (Selbst-)Verortung zu verstehen ist. Zu klären ist ferner, welchen Traditionen sie folgten, und welche ihrer Verhaltensweisen nach ihrem Tod umkodiert wurden, um dieselbe Herrschaftsform retrospektiv und für die Zukunft neu bewerten zu können.

Einzelprojekte innerhalb des Verbundes

Der Verbund umfasst folgende von der DFG geförderte Einzelprojekte:

  • Projekt 1 (Klassische Philologie/Latinistik und Gräzistik): Panegyrik und Historiographie. Die sprachliche (Um-)Kodierung der Herrschaftsrepräsentation
     
  • Projekt 2 (Klassische Archäologie): Die Bildnisrepräsentation des Titus und des Domitian
     
  • Projekt 3 (Alte Geschichte/Epigraphik): Die römischen Kaiser im Medium der Inschriften: Herrschertitulaturen und epigraphische Monumente
     
  • Projekt 4 (Alte Geschichte/Numismatik): Mediale Diskurse römischer Herrscherrepräsentation: Die Münzen (ein assoziiertes Projekt, das in engem Austausch mit dem Verbund steht:)

Einzelheiten zu den Projekten und der Tagung

Projekt 1 (Klassische Philologie/Latinistik und Gräzistik): „Panegyrik und Historiographie. Die sprachliche (Um-)Kodierung der Herrschaftsrepräsentation“

  • Teilbereich A (Latinistik): „(Um-)Kodierungen der Herrscherbilder in panegyrischen Texten“
    • Projektleitung: Prof. Dr. Therese Fuhrer, Institut für Griechische und Lateinische Philologie der FU Berlin, 

      therese.fuhrer@fu-berlin.de

       
  • Teilbereich B (Gräzistik): „Die Dekomposition der Herrscherinszenierung durch Historiographie und Biographie. Zwischen literarischer Normenkontrolle und Unterhaltung“
  • Kurzbeschreibung: Ziel des Projekts ist es, die literarischen Diskurse zu analysieren, welche die – in der späteren Rezeption als ,schlecht‘, exzentrisch oder gar ‚wahnsinnig‘ gezeichneten – Kaiser Caligula, Nero und Domitian umgaben. In diesen Diskursen lässt sich eine Kodierung der Herrschaftsrepräsentation erkennen, die in panegyrischen Schreibweisen die Repräsentationsformen als positiv konnotierte Grenzerweiterung deutet, um dann post mortem imperatoris eine Umkodierung dieser Grenzerweiterungen als negativ konnotierte Grenzverletzung zu erfahren. Daher sollen zum einen die Kodierung der Herrschaftsrepräsentation in der neronischen und domitianischen Literatur (Seneca, Lucan, Eklogendichtung, Statius, Martial) beschrieben und zum anderen die Mechanismen der Umkodierung derselben Herrscherbilder in der jeweils späteren literarischen Diskussion (bei Seneca, Martial und dem jüngeren Plinius) und in den historiographischen Texten (Tacitus, Sueton und Cassius Dio) aufgezeigt werden. Da augenscheinlich die von den zeitgenössischen Medien für die drei Kaiser entworfenen Repräsentationen als unabhängig von der Frage, wie exzentrisch diese Kaiser wirklich waren und ob sie tatsächlich die Grenzen der psychischen Normalität überschritten haben, zu betrachten sind und diese inszenierten Repräsentationen bis in die neueste Zeit Anlass zum Vorwurf des Normbruches und der Exzessivität gaben und geben, steht im Zentrum des Projekts also letztlich die Frage, inwiefern das Medium Literatur – die Texte in ihrer publizierten Form – seinen Teil zur römischen Kaisergeschichte beigetragen hat.

Projekt 2 (Klassische Archäologie): „Die Bildnisrepräsentation des Titus und des Domitian“

  • Projektleiter: Prof. Dr. Ralf von den Hoff, Institut für Archäologische Wissenschaften der Universität Freiburg, Abteilung für Klassische Archäologie, 

    vd.hoff@archaeologie.uni-freiburg.de

  • Kurzbeschreibung: Das Projekt widmet sich der bildlichen Repräsentation römischer Kaiser. Untersucht werden die Bildnisse des der damnatio memoriae verfallenen Herrschers Domitian (reg. 81-96), und zwar im Vergleich zu seinem Vorgänger und Bruder Titus (reg. 79-81). Das Ziel des Projekts ist es, Typologie, Ikonographie, Funktionen und Verwendungskontexte der Porträts dieser Kaiser zu untersuchen. Erstmals sollen hierfür aller relevanten Zeugnisse, einschließlich der Reliefs, Statuenbasen, Münzen usw., herangezogen werden, um auf dieser Grundlage mediale Besonderheiten, Divergenzen, Brüche und Kontinuitäten in der Bildnisrepräsentation zu ermitteln und sie im Hinblick auf ihre Semantik, auf mediale Kontexte und soziale Rollen der Rezipienten und Auftraggeber zu bewerten. Die Untersuchung der Bildnisse des eher positiv bewerteten Titus dient dabei besonders als komparatistische Folie für den vielfach negativ konnotierten Domitian. So lässt sich der Frage nachgehen, welche spezifischen und ggf. auch unterschiedlichen Rollen und Qualitäten Titus und Domitian in den Bildnissen zugeschrieben wurden und ob sich insbesondere für Domitian spezifische Brüche feststellen lassen, die normabweichende Repräsentationsformen etwa gegenüber der iulisch-claudischen Zeit anzeigen. Im Rahmen des Verbund-Projekts wird sich durch parallele Studien zu Domitians Kaisertitulatur, Münzprägung und Herrscherpanegyrik ein wesentlicher Mehrwert ergeben.

Projekt 3 (Alte Geschichte/Epigraphik): „Die römischen Kaiser im Medium der Inschriften: Herrschertitulaturen und epigraphische Monumente“

  • Projektleiter: Prof. Dr. Christian Witschel, Seminar für Alte Geschichte und Epigraphik der Universität Heidelberg
  • Nähere Informationen finden Sie hier: 

    Nähere Infos zu Projekt 3

Projekt 4 (assoziiertes Projekt) (Alte Geschichte/Numismatik): „Mediale Diskurse römischer Herrscherrepräsentation: Die Münzen"

  • Projektleitung: Prof. Dr. Reinhard Wolters, Institut für Numismatik und Geldgeschichte der Universität Wien, 

    reinhard.wolters@univie.ac.at

  • Kurzbeschreibung: Analysiert werden in diesem Projekt jene auf den Herrscher bezogenen Kommunikationsprozesse, die im Medium der Münzen ausgetragen wurden. In einem diachronen Vergleich wird möglichen Normabweichungen in der herrscherlichen Repräsentation der später als ‚verrückt‘ bzw. ‚schlecht‘ klassifizierten Herrscher Caligula, Nero und Domitian auf unmittelbarer zeitgenössischer Ebene nachgegangen. In einem weiteren, synchron ausgerichteten Ansatz wird das in den Münzbildern der verschiedenen Münzprägestätten (‚herrscherliche‘ Münzstätte Lugdunum, traditionelle Münzstätte Rom, regionale und lokale Prägestätten) jeweils vermittelte Bild des Kaisers miteinander verglichen. Untersucht werden soll auf diese Weise, welche Botschaft, d.h. welche Form von Repräsentation des Kaisers, an welchen Adressaten- bzw. Empfängerkreis gerichtet wurde, wer die Initiatoren in diesem Kommunikationsprozess waren, über welchen Handlungsspielraum diese verfügten und schließlich welche Rolle der Herrscher selbst als Ansprechpartner einnahm. Die numismatischen Studien werden im Hinblick auf das Gesamtprojekt in drei Abschnitte unterteilt und setzen dabei folgende Schwerpunkte: (1) Selbstdarstellung und Formen öffentlicher Panegyrik in der Münzprägung Caligulas und Neros; (2) Tradition und Innovation in der Münzprägung der Flavier; (3) Herrschaftsrepräsentation zwischen Norm und Normverstoß? Die Münzprägung Domitians.

Tagung: „Nero und Domitian. Mediale Diskurse der Herrscherrepräsentation im Vergleich“ 

  • Universität Freiburg, 24./25. 2. 2012
  • Kurzbeschreibung: Die Tagung soll das spezifische Profil der Repräsentation der beiden ersten römischen Kaiser, welche der offiziellen damnatio memoriae anheimfielen, herausarbeiten. Beide Herrscher sind bislang entweder isoliert oder im Kontext ihrer Dynastien analysiert worden. Der Versuch, sie in wechselseitiger Beleuchtung zu interpretieren, wurde hingegen noch nicht unternommen. Dies soll die Tagung leisten und so über eine dezidiert komparative Herangehensweise die Besonderheiten, Brüche und Traditionslinien in der Repräsentation beider Herrscher und der sich um sie entwickelnden Diskurse herausarbeiten. Die Beiträge sollen sich zu diesem Zweck gezielt bestimmten medialen Diskursen und kulturellen Praktiken widmen, in denen sich die Herrscherrepräsentation Neros und Domitians manifestierte. Das Ziel besteht darin, in einer Gesamtschau der Mediensystematik des neronischen und domitianischen Regimes zu Profilen ihrer Herrschaftsdiskurse zu gelangen und zugleich komparativ Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen beiden besonders im Hinblick auf ihre Herrscherrollen, ihre Positionierung im Zusammenspiel von Senat, Eliten, Militär, Provinzialverwaltung und übriger Bevölkerung sowie die Praktiken, Formen und medialen Strategien ihrer Repräsentation herauszuarbeiten

Arbeitsprogramm des Verbund-Projekts

Um die Zusammenarbeit der Einzelprojekte organisatorisch zu gewährleisten, sind folgende drei Maßnahmen vorgesehen:

  • I. Regelmäßige, d.h. einmal pro Semester stattfindende Workshops der Kerngruppe des Verbund-Projekts (d.h. der Teilprojektleiter, der wiss. Mitarbeiter sowie der beteiligten Doktoranden):
    • 1. Workshop am 25./26. 2. 2011 an der LMU München
    • 2. Workshop am 14./15. 10. 2011 an der LMU München
    • 3. Workshop am 02./03. 11. 2012 an der LMU München
    • 4. Workshop am 26./27. 4. 2013 an der LMU München
  • II. Eine größere Tagung:
    • Tagung „Nero und Domitian. Mediale Diskurse der Herrscherrepräsentation im Vergleich“ am 24./25. 2. 2012 an der Univ. Freiburg
  • III. Gemeinsame Publikationen: Geplant ist eine gemeinsame Publikation zu Diskursen der Herrschaftsrepräsentation unter Nero und Domitian, welche aus der Tagung im Februar 2012 in Freiburg (s.o. II.) hervorgehen soll.

Publikationen der Projektleiter zum Thema des Verbund-Projekts

  • Therese Fuhrer, Seneca. Von der Diskrepanz zwischen Ideal und Wirklichkeit, in: M. Erler – A. Graeser (Hrsg.), Philosophen des Altertums (Darmstadt 2000) 91-108.
  • Therese Fuhrer – D. Nelis (Hrsg.), Acting with Words. Communication, Rhetorical Performance and Performative Acts in Latin Literature (Heidelberg 2010).
  • Therese Fuhrer, Triumph und Theater im Text. Literarische Inszenierungen imperialer Repräsentation in Rom, in: E. Fischer-Lichte/M. Warstat/A. Littmann (Hrsg.), Theater und Fest in Europa. Perspektiven von Identität und Gemeinschaft (Tübingen 2011) 80-94.
  • Therese Fuhrer, Inszenierungen von Göttlichkeit. Die politische Rolle von Dionysos/Bacchus in der römischen Literatur, in: R. Schlesier (Hrsg.), A Different God? Dionysos and Ancient Polytheism (Berlin – New York 2011) 373-389.
  • Martin Hose, Erneuerung der Vergangenheit. Die Historiker im Imperium Romanum von Florus bis Cassius Dio (Stuttgart – Leipzig 1994).
  • Martin Hose, Cassius Dio. A Senator and Historian in an Age of Anxiety, in: J. Marincola (Hrsg.), A Companion to Greek and Roman Historiography (Oxford 2007) 461-467.
  • Martin Hose, Der Kaiser und seine Begrenzung durch die antike Literatur. Betrachtungen zu Cassius Dio, in: A. Winterling (Hrsg.), Zwischen Strukturgeschichte und Biographie. Probleme und Perspektiven einer neuen Römischen Kaisergeschichte, 31 v. Chr. – 192 n. Chr. (München 2011) 113-124.
  • Ralf von den Hoff, Commodus als Hercules, in: L. Giuliani (Hrsg), Meisterwerke der antiken Kunst (München 2005) 115-135.
  • Ralf von den Hoff, Caligula. Zur visuellen Repräsentation eines römischen Kaisers, Archäologischer Anzeiger 2009/1, 239-263.
  • Ralf von den Hoff, Kaiserbildnisse als Kaisergeschichte(n). Prolegomena zu einem medialen Konzept römischer Herrscherporträts, in: A. Winterling (Hrsg.), Zwischen Strukturgeschichte und Biographie. Probleme und Perspektiven einer neuen Römischen Kaisergeschichte, 31 v. Chr. – 192 n. Chr. (München 2011) 15-43.
  • Christian Witschel, Domitian 81-96, in: M. Clauss (Hrsg.), Die römischen Kaiser. 55 historische Portraits von Caesar bis Iustinian (München 1997) 98-110.
  • Christian Witschel, Kaiser, Gladiator, Gott – Zur Selbstdarstellung des Commodus, Scripta Classica Israelica 23, 2004, 255-272.
  • Christian Witschel, Verrückte Kaiser? Zur Selbststilisierung und Außenwahrnehmung nonkonformer Herrscherfiguren in der römischen Kaiserzeit, in: C. Ronning (Hrsg.), Einblicke in die Antike. Orte – Praktiken – Strukturen. Münchner Kontaktstudium Geschichte Bd. 9 (München 2006) 87-129.
  • Christian Witschel, Der Kaiser und die Inschriften, in: A. Winterling (Hrsg.), Zwischen Strukturgeschichte und Biographie. Probleme und Perspektiven einer neuen Römischen Kaisergeschichte, 31 v. Chr. – 192 n. Chr. (München 2011) 45-112.
  • Reinhard Wolters, Nummi Signati. Untersuchungen zur römischen Münzprägung und Geldwirtschaft (München 1999).
  • Reinhard Wolters, Die Organisation der Münzprägung in iulisch-claudischer Zeit, NZ 106/07, 1999 (= Gedenkschrift für Robert Göbl), 75-90.
  • Reinhard Wolters, Die Geschwindigkeit der Zeit und die Gefahr der Bilder: Münzbilder und Münzpropaganda in der römischen Kaiserzeit, in: G. Weber – M. Zimmermann (Hrsg.), Propaganda – Selbstdarstellung – Repräsentation im römischen Kaiserreich des 1. Jhs. n. Chr. (Stuttgart 2003) 175-204.
  • Reinhard Wolters, Prägungen des Kaisers vs. Prägungen des Senats. Mommsens ‚Dyarchie-These‘ und ihre Folgen für die antike Numismatik, in: H.-M. von Kaenel – M. R.-Alföldi u.a. (Hrsg.), Geldgeschichte vs. Numismatik. Theodor Mommsen und die antike Münze (Berlin 2004) 247-263.

Gefördert von der Deutschen Forschungsgesellschaft.